Philharmonischer Chor Kiel

Kieler Neueste Nachrichten, 28.12.1923

Weihnachtsmotette des Oratorienvereins. So hat der oft ge­rühmte A-cappella-Chor des Oratorienvereins doch noch die Hoffnung vieler erfüllt und am Ende der Weihnachten mit seinem wunderlieb­lichen Singen allen erwartungsvollen Hörern in der Nikolaikirche eine reine Freude und sicherlich mehr als das, eine Stunde der Andacht und Erbauung bereitet. Die Herzen wurden erhoben bei dem Klang der köstlichen Gesänge aus alter Zeit, die so herrlich sind, daß sie auch nach Jahrhunderten nicht veralten, ja so lange es Menschen mit empfänglichem Gemüt für alles Schöne gibt, immer wieder die Herzen hinauftragen wird aus dem Staube der Alltäglichkeit hinein in die reinen, lichten Höhen der allumfassenden Gottesliebe. Da sang es von dem süßen, lieblich duftenden Blümelein, das mitten im kalten Winter der verlorenen Menschheit erblühte, da klangen die herzigen Kindelwiegenlieder so rein und zart, daß man im Innern hätte mit­jubeln mögen: Eia, eia, singet und klinget ihr Engelein mit tausend süßen Stimmelein! — Annemarie Sottmann sang frisch und rein eine Arie aus dem Bachschen Weihnachtsoratorium. Der Meister legt mit dem immer wiederkehrenden Echo zwischen Singstimme, Oboe und Begleitung so viel Freude in die Arie hinein, daß man sich beim Anhören eines leisen Lächelns kaum erwehren kann. Und warum auch nicht? Ist doch Weihnachten das Fest der Liebe und Freude. Hugo Finkbeiner führte die Partie der obligaten Oboe ganz vortrefflich aus. Die Orgelbegleitung war bei Oscar Deffner in guten Händen. Durch geschickte Registerauswahl wußte er für alle Gesänge den richtigen Untergrund zu schaffen. Er zeigte sich auch in den großen Werken von Buxtehude und Bach sowie in den schwierigen Choral­vorspielen als Meister der Technik und Vortragskunst. In dem Vorspiel zu In dulci jubilo wurde eine vorübergehende Dunkelheit bei der Wieder­holung in das rechte Licht gerückt. M—s

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