Philharmonischer Chor Kiel

Kieler Neueste Nachrichten, 20.06.1926

Das zweite Orchesterkonzert.

Die Werke des zweiten Orchesterkonzerts vom Schwedischen Musikfest in Kiel gaben in ihrer Mannigfaltigkeit gleichsam einen Ueberblick über das schwedische Musikschaffen besonders in der Beeinflussung durch die Volksmusik.

Durch Einwirkung der deutschen Romantik kamen die nationalen Strömungen in der Musik auch bei anderen Völkern zur Geltung. Die Skandinavier besannen sich auf die Schätze im eigenen klingenden Volkstum. Grieg, der Norweger, wurde der Bahnbrecher, der dem weichlichen Aestententum des dänischen Niels Gade ein starkes nationales Empfinden entgegenstellte. Auch Schweden wandte sich einem ausprägsamen nationalen Musikschaffen zu. Volksweisen wurden der Ausgangspunkt für kunstvolles Erfassen jener Eigen­tümlichkeiten in Rhythmik und Harmonik, die wir heute als spezifisch nordisch anzusprechen uns gewöhnt haben; sie wurden die Elemente des neuen nationalen Kunststils.

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Dann wurden schwedische Volkslieder gesungen, bearbeitet für A-cappella-Chor von Hallen, Alfvén, Lilja und Akerberg. Die schwedische Volsseele musiziert. Sie singt vom Tanz, von der Lenzfreude, von der Lust und Liebe, sie geht in tiefen Sinnen und weiß von Verlassenheit und Herzensnot. Schon die Texte versetzen in Stimmung durch ihre naive Art, mit wenigen Strichen eine ganze Szene, ihre wechselnde oder ihre ruhende Stimmung zu malen. Auch die Melodie weiß den Text zu fassen — und nun kommt jene wirkliche reine Malerei in der Musik zur Geltung, die den Hörer in die Stimmung des Textes versetzt und ihn in seiner Phantasie Gestalten und Vorgänge bilden läßt. Wie anschaulich ist der „Richtertanz“, wie gegensatzreich das „Almlied“. Diese beiden Lieder können gleichsam als die Pole gelten, zwischen denen sich die Gefühlswelt des schwedischen Volksgesanges bewegt.

Der A-cappella-Chor des Kieler Oratorienvereins sang die Lieder unter der Leitung von Professor Stein, der jedes Lied zu einem Kabinettstück in Auffassung und Wiedergabe werden ließ. Der unermüdliche Beifall veranlaßte Wiederholungen.

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Professor Hans Sonderburg.

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