Philharmonischer Chor Kiel

Kieler Nachrichten, 16.02.1976

Natur in der Musik

2. Konzert für junge Leute in Kiel

Von Edwin Theune

Schon immer hat es Komponisten gereizt, der Musik durch außer­musikalisches Programm neue Ausdrucksbereiche zu erschließen. Wie stark die Gedichte „Meeresstille und glückliche Fahrt“ von Goethe und „The Storm“ von John Walcot nicht nur realistisch Natur schildern, wie Klaus Schneider in seinen Ausführungen zu vordergründig immer wieder betonte, sondern auch den Einfluß von Natur auf Tun und Leiden der Menschen reflektieren, das machte schon die am Anfang vorgetragene Goethe-Erzählung von „Italienischer Seereise“ beredt deutlich.

So setzen denn Beethoven, in seiner „dem unsterblichen Goethe“ gewidmeten Kantate op 112, Mendelssohn in seiner Ouvertüre op. 27 und Haydn in seinem Madrigal neue Ausdrucksmittel ein für den äuße­ren wie inneren Gegensatz zwischen Ruhe und Bewegtheit. Selten gehörte Stücke sind das, wegen ihrer Kürze bei so großem Orchester- und Choraufwand im Konzertbetrieb kaum mit Gewinn zu verwenden — wie schön, daß man die herrliche Musik nun in Kiel hören konnte. Das Philharmonische Orchester und der Städtische Chor musizierten unter Klaus Schneider und Chordirektor Peter Heinrich ebenso dra­matisch wie eindrucksvoll geschlossen.

In seinen Erläuterungen nutzte Schneider die seltene Gelegenheit, zwei Werke über den selben Text vergleichen zu können: die Ähnlich­keiten hatten es ihm besonders angetan. Das „Romantische“ der hinreißenden Mendelssohn-Musik zeigte er einleuchtend am neuen Stellenwert von Instrumentalfarben. Anderes kam nicht zur Sprache: wie etwa Wind erst durch verminderte Septakkorde volle Sturmstärke erreicht, wie weit das Meer durch mediantische Akkordverbindungen wird, oder wie ausgleichend, bei aller sonstigen Gegensätzlichkeit thematische Einheit sein kann. Noch mehr als bisher müßte Schneider Dissonanzen virulent werden lassen, nicht nur von ihnen reden.

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