Philharmonischer Chor Kiel

Kieler Neueste Nachrichten, 17.03.1928

Sechstes Symphoniekonzert
des Vereins der Musikfreunde.

Johann Sebastian Bach hatte mit seinem Thomanerchor nicht immer leichtes Arbeiten. Zu einer Zeit, als es um die stimmliche Beset­zung des Chores nicht eben gut stand, komponierte er viele seiner Solokantaten. Am bekanntesten sind die Solokantate für Alt „Schlage doch, gewünschte Stunde“ und die für Baß „Ich will den Kreuzstab gerne tragen“. Von den beiden Solokantaten für Sopran ist der Hymnus „Jauchzet Gott in allen Landen“ nicht nur ein echtes Bachwerk musikalischer Ergriffenheit, es ist auch, äußerlich betrachtet, ein Virtuosenstück an Koloratur, an Beweglichkeit, in der Menschenstimme und Trompetenton miteinander wetteifern.

Amalie Merz-Tunner konnte einen Sopran für das Solo ein­setzen, dessen Fülle und Feinklang sich insgesamt und besonders in der Höhe sich bewährte. Die Koloratur wurde sauber durchgeführt. Auch in Kaminskis „Magnificat“ blieb sie ihrer Aufgabe nichts schuldig. Das Werk ist an dieser Stelle bereits gewürdigt worden. Unter modernen Orchesterklängen gibt es die Dank- und Weihestimmung der lichtbegnadeten Seele wieder, Verkündigung und Loblied der Maria allgemein deutend. Es fand auch diesmal eine gehaltvolle Wiedergabe wie die Bach-Kantate. Professor Stein erwies sich als trefflicher Leiter chorisch-instrumentaler Werke. Der von ihm geführte A-capella-Chor des Oratorienvereins war in schlechthin ausgezeichneter Verfassung. Daß der Chor als „unsichtbarer Chor der Engel“ hinter der „Szene“ sang, erhöhte die Wirkung, die musikalisch in reiner Intonation und schattierter Dynamik ihre Stütze fand. Besonderes Lob gebührt auch Kammermusiker Paul Haußmann für sein überlegenes Spiel der Solotrompete, der „Bach-Trompete“, die von Fährlichkeiten umwittert ist. An den festlich musizierenden Violinen war Konzertmeister Träger, der auch die Solobratsche im „Magnificat“ ausführte, und Konzertmeister Heinrich beschäftigt. Das Cembalo spielte Dr. Hoffmann.

Im zweiten Teil des Konzerts erklang Anton Bruckners sechste Symphonie in A-Dur. ...

S—g.

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