Philharmonischer Chor Kiel

Neue Presse Hannover, 25.05.1981

Symphonie der Tausend scheitert an der Akustik der Sporthalle

Mahlersches Mysterium

bleibt vorerst verborgen

Das Unzulängliche, hier ward's Ereignis — ein großer Aufwand, schmählich! ist vertan: Gustav Mahlers Achte Symphonie, monatelang mit enormem organisatorischen und technischen Aufwand vorbereitet, wochenlang mit äußerster Hingabe künstlerisch erarbeitet, verpuffte in der sterilen Atmosphäre der akustisch ungeeigneten Stadionsport­halle.

Die große Intensität, die Dirigent George Alexander Albrecht investierte, teilte sich dem Zuschauer sichtbar mit. Wieweit sie sich auf die Mitwirkenden übertrug, konnte der Hörer allenfalls ahnen. Die Konstruktion von Decke und Seitenwänden des Saales fängt den Schall ab, ohne ihn zurückzuwerfen, was die Wirkung auf ein Minimum reduziert.

135 Instrumente klingen da im Tutti wie ein Kammerorchester, nur das Piano, vor allem im zweiten Teil, trägt. Doch verrät sich dabei noch deutlicher, wie problematisch es ist, zwei nach Herkunft, Aufga­benstellung und Selbstverständnis so verschiedenartige Klangkörper zu addieren, statt einen von beiden als Grundstock zu nehmen und zu verstärken.

Der Effekt des Fernorchesters geht verloren, wenn es so dicht im Rücken des Publikums aufgestellt werden muss wie hier. Doch ist die gute Verfassung der Bläser, zumal der Trompete Siegfried Götheis, zu rühmen. Ihrer Pracht war es letztlich zu danken, wenn hin und wieder doch noch ein Anhauch von Festlichkeit die Reihen durchwehte.

Die höher plazierten Chöre, sogar die zarteren Töne der Knaben, kommen besser zur Geltung. Gewisse Schwierigkeiten, die von Laien innerhalb der gesetzten Frist kaum zu überwinden sind, können nicht wegdiskutiert werden. Doch ein abschließendes Urteil wäre nur erlaubt, wenn die äußeren Voraussetzungen für eine würdige Wiedergabe erfüllt wären.

Das gleiche gilt für die Soli der Damen, die entweder zu blaß oder dann wieder gleich schrill erschienen. Sehr stark und dominierend der Tenor von William Johns, sehr weich und empfindungsvoll der Bariton von Heinz-Jürgen Demitz, recht durchsetzungsfähig auch der von Robert Holl; doch wäre als Kontrast hier ein schwärzerer Baß wünschenswert gewesen.

Mahler befürchtete einst von der Münchner Uraufführung einen Zirkuscharakter à la Barnum & Bailey. In Hannover trat von vornherein eher das Gegenteil ein. Graue Nüchternheit und schon resignierende Zaghaftigkeit schienen sich zu Anfang auszubreiten. Erst die Faust- Szene gab etwas vom Geheimnis der Albrechtschen Interpretation preis.

Deren ästhetische Bewertung müssen wir nachreichen. Einstwei­len bleibt das kommunale Politikum, daß es aus rein kommerziellen Erwägungen nicht möglich gewesen ist, für ein so einmaliges musi­kalisches Unternehmen den einzig in Frage kommenden Kuppelsaal freizumachen. Was auch immer an Argumenten vorgebracht wird — sie können nicht überzeugen.

Der Beifall mit Ovationen und Trampeln belohnte Wagemut und Leistung — und begrub fürs erste wieder einmal einen offensichtlich allzu kühnen Traum.

Reimar Hollmann

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Siehe auch Rainer Wagner

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