Volkszeitung, 13.01.1953
Händels „Messias“
in der Petruskirche
Der Städtische Chor Kiel (weshalb eigentlich „Städtischer“ Chor? Meines Wissens wird der Chor von der Stadt Kiel in keiner Weise subventioniert!) brachte Händels großes Oratorium zu einer Aufführung, deren Eindruck sehr stark und geschlossen war. — Das Verhältnis der Männer- und Frauenstimmen zueinander ist jetzt vollkommen ausgewogen, das Stimmaterial schön, die Sänger musikalisch und mit deutlich spürbarer Begeisterung bei der Sache. Manchmal sind sie so begeistert, daß sie ins Forcieren geraten und des Guten ein wenig zu viel tun — bei einer zweiten Aufführung wäre sicher manches noch abgeschliffener. Im großen und ganzen aber ist die Leistung des Chores ausgezeichnet — vor allem beeindruckt im Künstlerischen seine lebendige Dynamik, im Technischen seine saubere Artikulation.
Im Solistenquartett waren die Männerstimmen beherrschend: der leuchtende, alle Ton- und Ausdrucksnuancen meisternde Tenor Johannes Feyerabends und Hans-Olaf Hudemanns vornehmer, prachtvoll geführter Baß. Hanna-Ulrike Vassal (Sopran) schien musikalisch nicht ganz sattelfest, und Ursula Köhlers an sich schön timbrierte Altstimme trägt nicht, da sie sie bis zur Dumpfheit abdunkelt. Das strahlende Verheißungs-Rezitativ im ersten Teil kam dadurch so düster verschattet,daß sein ganzer, hier auch musikalisch wichtiger Ausdrucksakzent verloren ging.
Das Städtische Orchester machte es sich nicht leicht und erfüllte seinen zum Teil recht „kniffligen“ Part gekonnt und kultiviert. Auf die reichlich mittelmäßige Orgel der Petruskirche hatte man klugerweise verzichtet; am Cembalo sehr gewissenhaft: Alfred Dressel. Leider kommen in der Chrysanderschen Fassung, deren sich das Orchester bedienen mußte (der Chor sang Gottseidank die Mozartfassung), die Mittelstimmen schlecht weg, so daß zwischen Baßbegleitung und Melodie der Soli oft ein empfindlich leerer Raum bleibt.
Georg C. Winkler, dem Karl Eckert durch die sorgfältige Einstudierung der Chöre wesentlich assistiert hatte, leitete dies festlich-barocke (und so enorm vielseitige!) Werk mit überlegener Sicherheit und gab der Händelschen „Predigt“ durch sehr straffe Spannung der Tempi zuweilen fast dramatische Wirkungen von mitreißender emotioneller Kraft.
Das Publikum belohnte die große künstlerische Arbeitsleistung: die Petruskirche war bis auf den letzten Platz besetzt. S.M.
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Siehe auch: —g—